Anschlagmittel: Update
Anschlagmittel werden benötigt, um Objekte zu sichern, ziehen und bewegen.
Über die Webinare haben einige von Euch unsere Entwicklung zum Thema „Anschlagmittel“ mit verfolgt. Mit dem kleinen (800er) Greifzug haben wir uns schön länger in der 2-Tonnen-Klasse aufgehalten, und inzwischen sind wir mit dem Hebelzug auch ultraleicht bei einer Tonne angelangt.
Seit ca. einem halben Jahr haben wir uns im Team entsprechend verstärkt und arbeiten intensiv an einem wasserdichten Konzept Anschlagmittel für Feuerwehren. Dieses Konzept ist nun fertig gestellt. Als exklusiver Vertriebspartner der Firma Pfeifer bieten wir Euch nicht nur Standardsätze, sondern beraten und bilden Euch auch kompetent aus.
Den durchlaufenen Prozess und die damit verbundenen Gedanken wollen wir an dieser Stelle mit Euch teilen.
Die Probleme sind kurz und knapp erklärt:
- Die Ausstattung der Feuerwehrfahrzeuge nach Norm ist bestenfalls „unrund“ – teilweise mit unzulässigen Kombinationen, die Anschlagpunkte sind nicht harmonisch
- Es findet keine Ausbildung statt, auch sucht man feuerwehrspezifische Ausbildungsliteratur nach stand der Technik vergebens
- Der „Unternehmer“ nach DGUV ist verpflichtet, seine Mitarbeiter entsprechend zu schulen. Nach V54 §24 (1) sollen Versicherte „geeignet“ und „vertraut“ sein
Unterm Strich ist das bei den Feuerwehren in fast allen Fällen irgendwie Problematisch. Auch bei uns hat das mal so ausgesehen, hier vor ca. 6 Jahren:
Die Mischung macht’s, aber es ist sehr offensichtlich nicht bestimmungsgemäß (wenn auch die Lage mit dem PKW unter dem Bus eine der „schönsten“ Ausbildungslagen aller Zeiten war)
Es folgen einige Beispiele von typischen Problemen:
Fangen wir mit der Normausstattung eines HLF20 (DIN14530) an. Diese sieht vor:
- 2 Schäkel ähnlich Form C, „beanspruchung bis 100 kN“
- 1 Rundschlinge (…) tragfähigkeit 4.000kg
Nur: textile Anschlagmittel (Rundschlingen) dürfen nicht mit geraden bzw. Kettenschäkel – eben diese Form C – betrieben werden. Ein Blick in die Betriebs- bzw. Bedienungsanleitung der Rundschlinge sollte reichen, dort steht es.
Davon abgesehen ist diese Zusammenstellung bestenfalls dürftig. Strikt nach Norm ausgestattete Fahrzeuge haben sehr eingeschränkte Einsatzmöglichkeiten.
Es treten auch bauliche Probleme an Fahrzeugen auf:
Da der Schäkel am Fahrzeug (richtigerweise) nicht entfernt werden kann, muss ein weiterer Schäkel eingebaut werden, der dann senkrecht steht. Sind die Anschlagpunkte an der Front oder/ und am Heck zu tief unter dem Aufbau bzw. der Kabine eingezogen, entsteht das Problem im Bild. Bei Schrägzug nach oben drückt der Schäkel in die Fahrzeugstruktur.
Dann kommt die größte Baustelle: die Anwendungsproblematik.
Der verkehrt eingebaute Schäkel ist das geringere Problem – die wenigsten Feuerwehrangehörigen haben auch nur annähernd eine Einweisung bzw. Schulung bekommen.
Fazit: durch die sehr hohen Sicherheitsfaktoren der Ausrüstung hält sich die Gefährdung durch falsch eingesetzte Mittel in Grenzen. Dennoch haben wir sehr oft mit nicht bestimmungsgemäßer Anwendung zu tun.
Anwendungen
Wer uns kennt, weiß: die Lage per se ist die Grundlage aller Dinge. Wir überlegen uns konkrete Einsatzfälle und leiten daraus die benötigten Komponenten:
- Ausbildung
- Gerät
- Taktik
ab. Dabei möchten wir das Gerät möglichst universell halten, so dass es vielseitig einsetzbar ist ohne sich viele Gedanken zu machen. Mit Kunden, die unsere Beratungsdienstleistungen in Anspruch nehmen, gehen wir immer sehr konkrete Einsatzszenarien durch und bestimmen zusammen, welche relevant sind – also „was muss ich können“. Daraus leitet sich das Gerät ab.
In Bezug auf Gerät müssen wir natürlich auch Anwenderfreundlichkeit, aber auch Gewicht, Preis, Volumen und mehr berücksichtigen. Es ist wichtig zu wissen, was man kann – und was man nicht kann.
Somit landen wir bei Anwendungen von Anschlagmitteln in drei genau definierte Kategorien:
- Sichern
- Ziehen (und Heben)
- Paratech-Anwendungen
Mit Sichern ist das „Einfrieren“ der Lage gemeint. Wir kommen an, steigen aus, und sichern ein Objekt – schnell und effizient. Hier kommen beispielsweise Spanngurte ins Spiel, die – Achtung – nicht Bestandteil der HLF Norm sind.
Unser Lieblingsbeispiel (Link zum Einsatz der FF Konstanz) steht übrigens auch Pate für unsere Standardlage im Modul „H in HLF“. PKW droht abzustürzen, Fahrer weigert sich auszusteigen. Schnell! Festfrieren!
Alleine hier spielen sich in der Ausbildung schon Dramen ab – angefangen vom originalverpackten Spanngurt hin zu falsch eingesetzten Radkeilen.
Ziehen (und Heben) ist schon etwas vielschichtiger. Ob manuell (z. Bsp. Greifzug) oder maschinell (Seilwinde), es gibt viele Gründe ein Objekt horizontal versetzen zu müssen.
Dafür muss das ganze System „rund“, also abgestimmt sein. Vom Anschlagpunkt an den Fahrzeugen über die Umlenkung, hin zu den Krafteinleitungspunkten am zu bewegenden Objekt.
Leider verzichten viele bereits im HLF mit dem Wegfall des Greifzugs auf diese Fähigkeit, aber diese Diskussion ist an anderer Stelle besser aufgehoben.
Man kann „blind“ ziehen, also auf gut Glück, aber es gibt auch Lagen, in denen dieser Vorgang mit einer sehr hohen Kontrolle über die Last durchgeführt werden muss. Oftmals sind Spreizerketten z.Bsp. nur zum Ziehen zugelassen.
Heben setzen wir in Klammern, weil das eine eher untypische Anwendung ist, außer man betreibt ein Kran – dies ist außerhalb des Rahmens hier. Wichtig ist jedoch, dass Gerät sowohl zum Heben als auch zu Ziehen angewendet werden kann. Dies ist bei Schäkeln und Ketten oftmals nicht der Fall.
Die Paratech-Anwendungen sind schnell erklärt, das ist der Einsatz von Ketten mit den Rettungsstützen, zum Beispiel zum „Basketing“ (Heben). Dazu gibt’s dann einen eigenen Artikel.
Material und künstliche Anschlagpunkte
Grob lässt sich das Material folgendermassen einteilen:
- Anschlagseile
- Textile Anschlagmittel
- Schäkel
- Ketten und Haken
- Spanngurte
Jede Art von Material hat seine Eigenschaften und ist in „Tonnagen“ eingeteilt – das ist z.Bsp. die Haltekraft. Die angegebenen Werte haben immer einen gewissen Sicherheitsfaktor, der aber ganz unterschiedlich sein kann. Der Sicherheitsfaktor stellt sicher, dass auch bei Überlastung die Wahrscheinlichkeit von Materialversagen sehr gering bleibt.
Jedes Gerät hat übrigens einen Namen – solange alle wissen, was mit „Schlupp/ Schlupf“ gemeint ist, ist das OK. Besser jedoch den korrekten Namen verwenden.
Anschlagseile waren bei Feuerwehren gang und gäbe. Sie sind nicht mehr in der Normung, und auch ansonsten werden sie immer mehr von textilen Anschlagmitteln ersetzt. Probleme: nicht kürzbar, können knicken, reissen.
Interessant jedoch dieser Aufdruck auf der Kausche: Im Hebebetrieb gilt eine andere Gewichtsklasse (2,7t) als beim Ziehen (50kN). Hier gelten unterschiedliche Sicherheitsfaktoren, aber das Material ist und bleibt das gleiche. Hättet ihr das gewusst?
Mit textile Anschlagmittel sind vor Allem Rundschlingen und Hebebänder gemeint. Letztere sind sehr selten anzutreffen, aber Rundschlingen sind aktuell absolut „in“.
Sie bieten einige Vorteile: sie kosten wenig, sie verteilen die Last und verhindern hässliche Schrammen.
Rundschlingen haben einen Sicherheitsfaktor von 7:1 und werden in Tonnage eingeteilt – zu sehen im Bild. Von einer Tonne (lila) bis zu mindestens zehn Tonnen (orange). Nachteile: etwas unhandlich, können nicht gekürzt werden, scharfe Kanten sind ein Problem, ebenso Temperaturen.
Schäkel dienen zur Verbindung von Anschlagmitteln bzw. -punkten. Man unterscheidet ganz grob in gerade und geschweifte Schäkel – letztere sind beim Einsatz von textilen Anschlagmitteln von den Herstellern vorgeschrieben.
Im Umkehrschluß dürfen Rundschlingen nicht mit geraden Schäkeln verwendet werden, weil sie in den „Grund“ gezogen und geknautscht werden, und somit auch beschädigt.
Außerdem ist auf die richtige Verbindung zu achten, dies geht auch aus den Empfehlungen bzw. Vorgaben der Hersteller hervor. Rundschlingen der 8-Tonnen-Klasse sollten z.Bsp. mit 17 (!)-Tonnen-Schäkel eingesetzt werden.
Nicht alle Schäkel sind sowohl zum Ziehen als auch zum Heben zugelassen.
Ketten sind teurer als Rundschlingen. Sie sind jedoch unempfindlich gegen scharfe Kanten, hohen Temperaturen und können je nach Bauart auch gekürzt werden – dies gibt den Rettungskräften viele Einsatzmöglichkeiten.
Ketten kommen in verschiedenen Konfigurationen, beispielsweise als Anschlag- oder Spreizerketten.
Anschlagketten sind auch dazu geeignet, Kettenrettungdurchzuführen. Aus unserer Sicht ist es wichtig, dass sie sowohl zum Heben als auch zum Ziehen zugelassen sind.
Kleine „Kranzketten“ ermöglichen das Anschlagen an unzugänglichen Stellen, beispielsweise Stahlfelgen.
Ketten lassen sich auch mit Haken kombinieren, siehe Bild oben.
Spanngurte sind grundsätzlich zur Lastsicherung vorgesehen. Ob „unsere“ Anwendungen (z.Bsp. Einfedern eines PKW) auch als Lastsicherung gewertet werden sei dahingestellt.
Sie müssen jedoch zwingend gesichert werden, also mit einer geschlossenen Ratsche. Wir führen den „Rettungsspanngurt„, der für Feuerwehreinsätze optimiert ist, unter Anderem mit der Step-Ratsche, die auch langsam aufmacht bevor sie komplett offen ist.
Anschlagpunkte am Fahrzeug
Ich hatte weiter oben die konkreten Einsätze erwähnt. Bei manchen Fällen nutzen wir unser eigenes Fahrzeug als Anschlagpunkt. Hier sind ein Paar typische Anwendungen (Aus dem Webinar „Konzept Anschlagmittel“):
Wir empfehlen übrigens, dass ihr Euch sowas mit Euren Mitteln selbst zusammenstellt, ausdruckt, einlaminiert und Eurem Fahrzeug beilegt, das macht das Leben der Einsatzkräfte wirklich einfacher.
Hier geht’s primär um die Standardanwendungen am Fahrzeug:
- Direkter Zug (MZ oder Winde)
- Zug mit loser Rolle, zurück zum Fahrzeug
- Zug mit Umlenkung / loser Rolle am anderen Fahrzeug
An dieser Stelle würden wir Euch empfehlen, einen genaueren Blick auf Euren Fahrzeugen zu werfen. Vermutlich sind da gerade Schäkel ohne CE Zeichen verbaut – das ist zum Ziehen OK, aber es dürften keine Rundschlingen reingestopft werden.
Werden die Anschlagpunkte mit Schäkel am Fahrzeug eingesetzt, soll(te) – je nach Betriebsanleitung – die Last verteilt werden. Das wäre in den Folien oben das ganz obere Bild.
Wir sind jedoch ganz große Fans vom Rangiermaul, das ist der mittige Bolzen am Fahrzeug. Bei Fahrzeugen mit Seilwinde gibt es Vorgaben an die Aufnahmelast (= Zugkraft der Winde), ansonsten solltet ihr einen Blick in die Betriebsanleitung werfen, da sollte es drin stehen. Bitte nicht von Vermutungen ausgehen („Hälfte Fahrzeuggewicht“), sondern wirklich nachschauen.
Hier sollte auch angemerkt werden, dass früher Vieles tatsächlich besser war: das Rangiermaul lag offen zugänglich, inzwischen ist das Kennzeichen darüber angebracht. Mit viel Pech klappt das so blöd runter, dass es abbrechen kann – unser Tipp, bei der Ausschreiben darauf bestehen, dass das Rangiermaul offen bleibt (wenn es überhaupt noch geht).
Lastmindernde Faktoren
Wie oben erwähnt, haben Anschlagmittel so viel Sicherheit eingebaut, dass es mit dem Teufel zugehen muss, dass sie versagen. Dennoch sollte darauf geachtet werden, wie sie eingesetzt werden. Von der theoretischen Haltekraft muss abgezogen werden, wenn so genannte lastmindernde Faktoren zutreffen.
Dies können sein:
- scharfe Kanten (Radius Kante im Verhältnis zum Anschlagmittel)
- Winkel Anschlag: bei einem mehrstrangigen Zug wird nur der flachere Winkel gerechnet
- Winkel Anschlagpunkt: Am Fahrzeug dürfen bestimmte Winkel nicht überschritten werden
- Einschnürung der Anschlagmittel
…usw.
Ausbildung, Taktik
Wir sind jetzt in den finalen Zügen einer feuerwehrgerechten Ausbildung als Modul. Hierzu gehört das Grundwissen der Anschlagmittel, lastmindernde Faktoren und auch der Überprüfung nach Nutzung.
Aufbauend kommt dann „Ziehen von Lasten“, wo wir mit Greifzug oder Seilwinde ein Gefühl dafür vermitteln, wie mit einfachen Mitteln Lasten kontrolliert bewegt werden können.
Taktisch ist es besonders wichtig, dass möglichst universell vorgegangen wird. Immer das gleiche Gerät unabhängig der Lage, auch mit lastmindernden Faktoren. Es müssen 3-4 Standardeinsätze bekannt sein. Mehr braucht man bei Feuerwehren nicht.
Gerät
Sechs Monate Arbeit münden in ein universelles Konzept. Leider können wir die Normvorgaben nicht ändern. Somit gibt es von uns von der Norm abgekoppelten Empfehlungen, und ansonsten hilft nur intensive Beratung, wie das bestehende System bei Euch sinnvoll ergänzt werden kann.
Unsere Gerätesäte stellen wir beizeiten detailliert vor. Ganz grob:
- Satz „SICHERN“ in Kompakt- und Standardversion
- Satz „ZIEHEN“ für den Einsatz mit MZ8/16/32/ MaZe50kN (80 kN ausgeschlossen)
- Ketten für Paratech
- Zubehör (Wirbelhaken für MZ, Spreizerketten)
Fazit
Und wo stehen wir jetzt?
Ich glaube, wir haben die grundsätzliche Problematik bzw. Fragestellung der Anwendungen verstanden. Wir haben auch die Regelwerke verstanden, ebenso, dass die Feuerwehr-Normung erhebliche Lücken aufweist. Wir haben konkrete Vorschläge, was Gerät – Ausbildung – Taktik betrifft.
Die nächsten Wochen werden wir die Sätze auch in den Shop einstellen. Was wir jedoch bereits jetzt anbieten können: die persönliche Beratung, auch gerne als Webinar.
Unsere Standardsätze, Sonderlösungen usw. stellen wir dann auch in Kürze vor. Ihr könnt uns aber ab jetzt gerne jederzeit kontaktieren, wir beraten gerne.
Kettenrettung
Ja, da war noch was. Kettenrettung ist ein bisschen Hype, hat aber als ein Werkzeug von vielen ihre Berechtigung bei entsprechender Indizierung.
Mit 2 von unseren Standardsätzen könnt ihr auch Kettenrettung. Unsere Empfehlung aber: macht Euch grundsätzliche Gedanken (alles was oben steht), dann könnt ihr auch Kettenrettung — und unbedingt ausprobieren.
Und ganz zuletzt…
Ein bisschen persönliche Note. Immerhin sind wir Heavy Rescue Germany, und da ist vieles vom Ausprobieren entstanden.
Unsere Subjektivität besteht darin, dass wir sehr, sehr, sehr viel praktisch ausprobieren. Mal ganz einfach rabiat, mal halbwissenschaftlich – das gilt für Bruchlasten bei Tiefbau-Rettungstafeln, aber eben auch mit Lastmesszellen oder Dynamometer/ Kraftmesser. Die setzen wir in der Ausbildung durchgehend ein, und eben auch bei den Versuchen. Um ein Gefühl für die entstehenden Kräfte zu bekommen. Hier eine Auswahl: